Wirtschaftlicher Kfz Totalschaden

Wirtschaftlicher Kfz Totalschaden – verkaufen oder selbst reparieren?

Es kracht und die Reparatur ist teurer als ein neues Fahrzeug? Dann handelt sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Geschädigte hat immer ein Recht, sein Fahrzeug reparieren zu lassen. Und die Reparatur darf er auch selbst in Angriff nehmen. In der Zwischenzeit bezahlt die gegnerische Versicherung einen Mietwagen oder zahlt eine Nutzungsausfallentschädigung aus. Wir erklären, wann genau ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt und wie hoch die geschätzten Reparaturkosten sein dürfen.

Totalschaden oder noch zu reparieren?

Nach einem Unfall erstellt der Kfz-Gutachter ein Unfallgutachten. Darin hält er die Höhe der Reparaturkosten, den Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeugs und den Restwert des Fahrzeugs, seinen “Schrottwert”, fest. Übersteigen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert (minus) Restwert, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Als Unfallgeschädigter haben Sie mehrere Möglichkeiten:

  • die Reparaturkosten auszahlen lassen
  • den Schaden reparieren (selbst oder in der Werkstatt)
  • das kaputte Auto verkaufen (z.B. “zum Ausschlachten”)

Echter oder wirtschaftlicher Totalschaden?

Beim “echten” Totalschaden oder technischen Totalschaden ist das Auto so stark beschädigt, dass eine Reparatur technisch nicht mehr möglich ist. In den Versicherungsbedingungen ist in diesem Fall vom “zerstörten Fahrzeug” die Rede. Der Sachverständige stellt einen Restwert von 0 Euro fest.

Beim wirtschaftlichen Totalschaden hat der Gutachter eine Reparaturwürdigkeit festgestellt. Trotz eines wirtschaftlichen Totalschadens lässt sich das Fahrzeug wieder so herstellen, dass es im Straßenverkehr weiter gefahren werden darf. Doch wie teuer wird das? Lohnt sich das überhaupt noch?

Totalschaden beim Neufahrzeug

Ein sogenannter “unechter Totalschaden” kann bei einem Neufahrzeug vorliegen. Sofern es sich nicht um ein Nutzfahrzeug handelt, erhält der Geschädigte den Neupreis. Die Höhe der Entschädigung kommt einem echten Totalschaden gleich, daher spricht man vom unechten Totalschaden. Als Neufahrzeug oder neuwertiges Fahrzeug gilt jedes Kfz bis vier Wochen nach seiner Erstzulassung und mit einer Fahrleistung von etwa 1.000 Kilometer (BGH, NJW 1982, 433). Für alle weiteren 1.000 Kilometer erfolgt ein Abschlag von 1 bis 1,5 Prozent des Neupreises (BGH, NJW 1983, 2694). Die Vollkasko-Versicherung des Geschädigten kann selbst innerhalb der ersten sechs Monate den Neupreis erstatten.

Eine Faustregel für die Neuwertentschädigung ist, dass die Reparaturkosten mindestens 30 Prozent des Fahrzeugwertes ausmachen (OLG München DAR 1982, 70). Das Fahrzeug muss so erheblich beschädigt sein, dass eine Wiederbenutzung des reparierten Fahrzeugs nicht zumutbar ist. Weitere Voraussetzungen sind, dass der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug verkauft und ein Neufahrzeug erwirbt.

Wiederbeschaffungswert und Restwert

Den wirtschaftlichen Totalschaden sieht man einem Fahrzeug nicht unbedingt an. Nur ein Sachverständiger kann ihn feststellen. Geschätzt werden:

  • Restwert: Wie viel ist das beschädigte Auto ohne Reparatur noch wert?
  • Wiederbeschaffungswert: Wie viel kostet die Neubeschaffung des Fahrzeugs? (z.B. auf dem lokalen Gebrauchtwagenmarkt
    Reparaturkosten: Was kosten die erforderlichen Ersatzteile und Werkstattzeiten.

Die Schwacke-Liste ist nur ein erster Anhaltspunkt für die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes bzw. des Restwerts. Berücksichtigen wird der Sachverständige den lokalen Fahrzeugmarkt. Auf dem Sondermarkt, wie etwa den Internet-Autobörsen lassen sich unter Umständen höhere Preise erzielen. Den Sondermarkt darf der Sachverständige jedoch nur berücksichtigen, wenn es sich beim Unfallgeschädigten etwa um ein Autohaus oder um ein Leasingfahrzeug handelt.
Quelle https://kanzlei-schleyer.de/restwert-bei-einem-fahrzeug/

Beispiel: Wirtschaftlicher Totalschaden

Reparaturkosten = 1.500 Euro
Wiederbeschaffungswert = 3.000 Euro
Restwert = 2.000 Euro (Marktwert des unreparierten Fahrzeugs).

Es liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, denn die Reparaturkosten sind mit 1.500 Euro höher als der Wiederbeschaffungswert (3.000 Euro) ./. Restwert (2.000 Euro).

Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten höher sind als die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert.

Freie Wahl des Sachverständigen

Die Haftpflichtversicherung des Unfallfahrers kann sich recht schnell beim Geschädigten melden, um einen Sachverständigen vorbeizuschicken. Der Geschädigte hat jedoch das Recht, einen Sachverständigen nach seiner Wahl zu bestellen. Den Experten der gegnerischen Versicherung muss er nicht akzeptieren und er kann selbst einen Gutachter beauftragen. Kosten entstehen dem Unfallgeschädigten dadurch nicht.

Umso höher der Restwert des Fahrzeugs ausfällt, umso mehr kann der Unfallgeschädigte für sein unrepariertes “Schrottauto” erhalten. Ermittelt das Gutachten einen hohen Restwert, zahlt die gegnerische Versicherung einen geringeren Betrag aus. Zur Restwertermittlung muss der Sachverständige drei Angebote einholen, so die Empfehlung des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags (BGH, Az. VI ZR 318/08 vom 13. Oktober 2009).

Bei einem Vollkaskofall darf nur die Versicherung den Sachverständigen beauftragen. Bei Haftpflichtschäden steht dem Geschädigten die Wahl des Sachverständigen frei.

Totalschaden – reparieren oder nicht reparieren?

Der geschädigte Fahrzeughalter hat ein Recht auf die Wiederherstellung seines Fahrzeugs. Daher können selbst “wirtschaftlich unvernünftige” Reparaturen von den Versicherungen getragen werden.

Der Geschädigte kann die Instandsetzungskosten (Reparaturkosten) verlangen und in der Regel selbst entscheiden, ob er das Auto reparieren lässt oder verkauft. Vor Gericht spricht man bei den wirtschaftlichen Totalschäden daher von einer fiktiven Schadensabrechnung (BGH, NJW 2005, 1108). Bei Neufahrzeugen bzw. einer Neuwertentschädigung ist diese freie Wahl nicht immer möglich.

Wirtschaftlich unvernünftig – trotzdem reparieren

Ist die Reparatur teurer als die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert kann der Geschädigte sein Integritätsinteresse geltend machen und eine Wiederherstellung des Fahrzeugs einfordern. Möglich ist das, sofern die Reparaturkosten 30 Prozent des Wiederbeschaffungswertes nicht übersteigen (BGH, DAR 1992, 22). Dann muss die gegnerische Versicherung selbst Reparaturkosten bis zu 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes auszahlen. Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:

  • Reparaturkosten bis maximal 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert
  • Das Fahrzeug muss mindestens 6 Monate nach dem Unfall angemeldet und versichert bleiben
  • Die Reparaturen aus dem Sachverständigengutachten müssen erfolgt sein
  • Als Nachweis für die Reparaturen müssen Rechnungen n vorliegen
  • Der Kfz-Sachverständige muss die selbst erledigen Reparaturen bestätigen
  • Nur vollständige Reparaturen werden mit der 130 Prozent Regel abgerechnet.

Wirtschaftlich unvernünftig ist nach der Entscheidung des BGH eine Reparatur erst dann, wenn sie mehr als 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegt. Der Geschädigte muss den übersteigenden Betrag (wirtschaftlich unvernünftiger Anteil) selbst zahlen.

Liegt die Rechnung für die Reparatur zwischen 100 und 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes, das Gutachten aber bei über 130 Prozent, muss der Geschädigte nachweisen, dass die Reparatur wirtschaftlich vernünftig war (BGH VI ZR 79/10). Denn die Rechtsprechung verlangt, dass die Reparaturarbeiten tatsächlich und fachgerecht durchgeführt wurden. Hat man den wirtschaftlichen Totalschaden nur notdürftig fahrbereit gemacht oder unfachmännisch repariert, können die erhöhten Reparaturkosten von 130 Prozent nicht eingefordert werden. Der Geschädigte muss eine fachgerechte Reparatur nachweisen – durch eine Werkstatt oder ihm selbst.

Beispiel: Wirtschaftlicher Totalschaden ohne Berücksichtigung des Restwerts

Wiederbeschaffungswert: 15.000 Euro
Restwert: 3.000 Euro
Maximale Reparaturkosten: 130 Prozent von 15.000 Euro = 19.500 Euro.

Das Fahrzeug selbst reparieren

Der Geschädigte darf sein Totalschaden-Fahrzeug selbst Instandsetzen, so der Bundesgerichtshof (BGH, NJW 2008, 2183). Belaufen sich die Reparaturkosten bis zur 130 Prozent-Grenze, müssen sie nicht im Einzelnen belegt werden: Maßgeblich ist allein das Sachverständigengutachten und die dort genannten voraussichtlichen Reparaturkosten werden dem Geschädigten ausgezahlt. Wie und in welchem Umfang er den Geldbetrag bei der Reparatur verwendet, bleibt ihm überlassen. Damit auch die Mehrwertsteuern ausgezahlt werden, müssen sie tatsächlich entstanden sein (Beleg): Wurde kein gleichwertiger Sportauspuff für 500 Euro eingebaut, sondern ein einfacheres Modell für 200 Euro, wird lediglich die Mehrwertsteuer auf den bezahlten Auspuff erstattet.

Totalschaden und die Vollkasko Versicherung (Unechter Totalschaden)

Die eigene Vollkasko erstattet den Neupreis innerhalb der ersten sechs Monaten nach der Erstzulassung. Den Neupreis zahlt die Vollkasko auch dann aus, wenn der Reparaturkostenaufwand mindestens 80 Prozent des Neupreises beträgt. In allen andern Fällen ersetzt die Versicherung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden den üblichen “Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert”. Reparaturkosten bis 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes werden von der Kasko nicht übernommen.

Hohe Reparaturkosten bei fast neuen Fahrzeugen sind nicht selten. Mit zunehmender Elektronik und Technik steigen die Kosten für Komponenten und Werkstattzeiten unverhältnismäßig an und der Gutachter muss einen wirtschaftlichen Totalschaden feststellen. Bei der Entschädigung des Halters mit dem Neupreis spricht man vom unechten Totalschaden.

Totalschaden und das Auto nicht behalten

Ist die Reparatur unmöglich oder soll das Auto nach dem Unfall abgeschafft werden, stehen folgende Möglichkeiten offen:

  • Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden wird der Wiederbeschaffungswert minus des Restwerts laut Gutachten ausgezahlt.
  • Handelt es sich um einen technischen Totalschaden, wird der Zeitwert ausgezahlt. Bei einer Fahrzeug-Kreditfinanzierung oder einem Vollkaskovertrag mit Neuwagenklausel erfolgt eine Erstattung wie beim wirtschaftlichen Totalschaden.
  • Für das geleaste Unfallauto übernimmt die Vollkaskoversicherung den Restkredit. Der geschädigte Leasingnehmer erhält keine Auszahlung.
  • Bei Neufahrzeugen mit Vollkaskovertrag werden die Anschaffungskosten für einen Neuwagen ausgezahlt.

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