Die Reifen übertragen Kraft des Motors, die Lenkbewegungen und die Energie beim Bremsen auf die Straße. Auf Grund dessen handelt es sich um ein wichtiges Sicherheitsmerkmal des Autos. Ereignet sich ein Unfall und weisen die Reifen ein zu geringes Profil auf, dann stellt sich die Frage nach dem Einfluss der Bereifung auf das Unfallgeschehen. Autobesitzer befürchten, die KFZ-Versicherung könne bei einem Unfall mit abgefahrenen Reifen die Zahlung verweigern. Ist dem so?
Welche gesetzlichen Anforderungen bestehen an die Bereifung eines Automobils?
Autofahrer müssen ihre Bereifung passend zum Fahrzeug auswählen. In den Fahrzeugunterlagen ist angegeben, welche Reifengröße gefahren werden darf. Des Weiteren müssen Autofahrer auf das Einhalten der Mindestreifenprofiltiefe achten. Die Reifen müssen über eine Profiltiefe von mindestens 1,6 Millimeter verfügen. Der ADAC empfiehlt eine Tiefe von mehr als 4 Millimetern – hierbei handelt es sich um eine Empfehlung, die an Sicherheitsaspekte angelehnt ist, jedoch um keine gesetzliche Vorgabe. In Deutschland gilt eine situative Winterreifenpflicht. Dies bedeutet, dass Autofahrer nicht mit Sommerreifen fahren dürfen, wenn winterliche Bedingungen vorliegen. Zu beachten ist, dass diese Aussagen für Deutschland gelten. Planen Autofahrer eine Reise ins Ausland, dann müssen sie sich über die dort geltenden Bedingungen informieren.
Welche Strafen drohen, wenn die Bereifung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht?
Laut Deutschem Bußgeldkatalog müssen Autofahrer mit folgenden Strafen rechnen, wenn Mängel an der Bereifung festgestellt werden:
- mit Sommerreifen gefahren, obgleich winterliche Bedingungen herrschen: 60 Euro + 1 Punkt
- mit Sommerreifen gefahren, obgleich winterliche Bedingungen herrschen + Behinderungen: 80 Euro + 1 Punkt
- mit Sommerreifen gefahren, obgleich winterliche Bedingungen herrschen + Gefährdung: 100 Euro + 1 Punkt
- mit Sommerreifen gefahren, obgleich winterliche Bedingungen herrschen + Unfallfolge: 120 Euro + 1 Punkt
- Profiltiefe ist nicht ausreichend (Fahrer): 60 Euro + 1 Punkt
- Profiltiefe ist nicht ausreichend + Gefährdung (Fahrer): 75 Euro + 1 Punkt
- Profiltiefe ist nicht ausreichend + Unfall (Fahrer): 90 Euro + 1 Punkt
- Profiltiefe ist nicht ausreichend (Halter): 75 Euro + 1 Punkt
Halter und Fahrer müssen sich vergewissern, dass die Profiltiefe den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt, ansonsten drohen Bußgeld und jeweils ein Punkt.
Wäre der Unfall mit neuen Reifen auch geschehen?
Diese Frage ist wichtig, wenn entschieden wird, ob die KFZ-Versicherung an den Unfallgegner zahlen soll. Die Frage, wann Haftpflichtversicherungen für Schäden zahlen müssen, und wann sie die Zahlung verweigern dürfen, hat bereits viele Gerichte beschäftigt. Ein Urteil, das als Präsenzfall dienen kann, wurde vom Oberlandesgericht Koblenz (Az.: 10 U 253/08) erlassen. Ein Autobesitzer klagte gegen seine Vollkaskoversicherung. Er bestand auf die Begleichung des Schadens an seinem Fahrzeug, mit welchem er in einer 25 Zentimeter tiefen Pfütze ins Schleudern gekommen war. Ein Sachverständiger gab an, das Auto sei nicht wegen der abgefahrenen Bereifung ins Schleudern geraten, sondern die ausschlaggebende Ursache sei die Tiefe der Pfütze gewesen. Der Unfall hätte sich in dieser Form auch ereignet, wenn die Bereifung neu gewesen wäre. Die Weigerung der Versicherung, für den Schaden aufzukommen, bewertete das Oberlandesgericht als rechtswidrig, die Versicherung musste bezahlen.
Kann dem Autofahrer grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden?
Versicherungen können die Zahlung des Schadens verweigern, wenn der Autofahrer grob fahrlässig gehandelt hat. Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln hervor (Az.: 9 U 175/05) ist die Tatsache, dass die Reifen abgefahren sind, kein ausreichender Beweis für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit. Die Bedingungen des Einzelfalls müssen berücksichtigt werden. Im verhandelten Fall hatte der Autobesitzer die Gebrauchtreifen rund zwei Monate vor dem Unfall bei einem Händler gekauft und aufziehen lassen. Die Reifen besaßen zum Unfallzeitpunkt eine Profiltiefe von 1 bis 1,5 Millimeter. Grobe Fahrlässigkeit lag nicht vor, da der Autofahrer sich darauf verlassen hatte, dass der Händler ihm eine gesetzlich zulässige Bereifung aufzieht und da der Zustand der Reifen schlecht zu erkennen gewesen war.
Fazit
- hätte sich der Unfall auch mit neuer Bereifung in der gleichen Form ereignet, dann muss die Versicherung für den Schaden aufkommen.
- hat der Autofahrer grob fahrlässig gehandelt, dann muss die Versicherung nicht bezahlen.