Jährliche Fahrleistung – ein wichtiges Tarifmerkmal in der Autoversicherung


Wenige Kilometer, weniger Unfälle – so kalkulieren die meisten Versicherer ihre Angebote in der Autoversicherung. Deshalb fragen sie beim Vertragsabschluss nach der Strecke, die Sie voraussichtlich mit dem versicherten Fahrzeug pro Jahr zurücklegen werden. Auch während der Vertragslaufzeit und im Schadenfall werden Sie nach dem Kilometerstand gefragt.

Fahrleistungsklasse oder genaue Abrechnung

Da kaum jemand den zukünftigen Kilometerstand exakt vorhersagen kann, arbeiten die Kfz-Versicherer mit Fahrleistungsklassen. Sie beginnen zum Beispiel bei unter 6.000 oder unter 9.000 Kilometern für Wenigfahrer. Die folgenden Klassen sind in Intervalle von jeweils 3.000 oder 5.000 Kilometer eingeteilt. Die tarifliche Differenzierung endet bei mehr als 30.000 Kilometern. Bezogen wird die Fahrleistung in der Regel auf ein Kalenderjahr. Da das Versicherungsjahr nicht mit dem Kalenderjahr identisch sein muss, ist aber auch eine andere Abgrenzung möglich. Denken Sie bei der Wahl der Fahrleistungsklasse auch an weitere Nutzer des Fahrzeugs, zum Beispiel Partner oder Kinder.

Einige Versicherer bieten sogenannte Telematik-Tarife an. Hier werden Kilometerstand und Laufleistung über eine Box oder einen Stecker im Fahrzeug exakt erfasst. Damit ist eine kilometergenaue Abrechnung möglich. Neben der Fahrleistung kann außerdem der Fahrstil in die Preisberechnung eingehen. Plötzliches Bremsen, schnelle Kurvenfahrten und Geschwindigkeitsüberschreitungen deuten auf ein höheres Risiko hin. Problematisch ist eine exakte Abrechnung der gefahrenen Kilometer über eine Smartphone-App. Die App kann nicht unterscheiden, in welchem Fahrzeug sich das Telefon befindet und ob der Nutzer selbst fährt.

Die Jahresfahrleistung ist zwar ein wichtiges Tarifmerkmal, aber weniger entscheidend, als viele Kunden glauben. Wer 12.000 Kilometer im Jahr fährt, zahlt nicht doppelt so viel wie ein Fahrer mit nur 6.000 Kilometern. Vielfahrer haben mehr Erfahrung und sind deshalb – bezogen auf die Kilometer – seltener in Unfälle verwickelt als “Sonntagsfahrer”. Die Kfz-Versicherer sprechen beim Merkmal Fahrleistung von einer Tarifspreizung. Betrachtet man zum Beispiel 15.000 Kilometer als Normalfall (100 % des Tarifbeitrags), können Sie in der günstigsten Fahrleistungsklasse mit etwa 80 % des Beitrags rechnen (20 % Rabatt), in der höchsten Klasse mit etwa 160 % (60 % Zuschlag). Wie groß die Spreizung ausfällt, entscheidet jeder Autoversicherer für sich. Die Werte können also sehr unterschiedlich ausfallen.

Auf Nachfrage reagieren

Ohne Telematik-Anwendung und ohne Schadenfall sind die Kfz-Versicherer auf die Ehrlichkeit ihrer Kunden angewiesen, um die faire Einstufung in eine Fahrleistungsklasse zu prüfen. Sie fragen deshalb regelmäßig nach dem aktuellen Kilometerstand. Das geschieht zum Beispiel mit der jährlichen Beitragsrechnung oder mit einem separaten Schreiben am Jahresanfang. Vielleicht haben Sie Ihrem Kfz-Versicherer auch die Erlaubnis gegeben, Sie per E-Mail zu kontaktieren.

Welche Konsequenzen eine Abweichung der tatsächlichen von der versicherten Fahrleistung hat, ist in den Versicherungsbedingungen geregelt. Das kann von Versicherer zu Versicherer anders sein. Melden Sie sich auf jeden Fall, auch ohne Aufforderung, wenn Sie weniger gefahren sind als versichert war. Am besten kontaktieren Sie den Versicherer noch während des laufenden Versicherungsjahres. Bitten Sie um rückwirkende Anpassung des Vertrags. Dann bekommen Sie Geld zurück.

Und wenn Sie mehr gefahren sind als geplant? Bei praktisch jedem Autoversicherer gibt es Toleranzen. Haben Sie die Fahrleistungsklasse 9.000 bis 12.000 Kilometer versichert und sind im vergangenen Jahr 12.500 Kilometer gefahren, müssen Sie nicht mit einer Nacherhebung rechnen. Wahrscheinlich wird der Versicherer Sie aber für das neue Jahr in die nächsthöhere Klasse einstufen. Sie können dem widersprechen, wenn Sie wissen oder vermuten, dass Sie jetzt weniger fahren werden als im Vorjahr. Sich aus Furcht vor einer Nachzahlung nicht zu melden, ist keine gute Idee. Viele Autoversicherer stufen Sie um mehrere Fahrleistungsklassen nach oben, wenn Sie trotz Erinnerung nicht reagieren. Spätestens jetzt müssen Sie Farbe bekennen oder den teureren Beitrag bezahlen.

Diese Konsequenzen drohen im Schadenfall

Sowohl in einem Haftpflichtfall als auch bei einem Kaskoschaden wird der Versicherer den Kilometerstand wissen wollen. Entweder fragt er Sie in der Schadenanzeige danach, oder er entnimmt ihn einer Werkstattrechnung, die Sie eingereicht haben. Die gute Nachricht: Sie verlieren in keinem Fall komplett Ihren Versicherungsschutz, wenn Sie die Fahrleistungsklasse falsch angegeben haben. In der Haftpflichtversicherung wäre das auch gar nicht erlaubt. Sie ist eine Pflichtversicherung und dient vor allem dem Schutz des Unfallopfers. In den Versicherungsbedingungen kann aber eine Vertragsstrafe geregelt sein, zum Beispiel in Höhe eines (korrekt berechneten) Jahresbeitrags. Die müssen Sie als Eigenanteil an dem Schaden bezahlen, gegebenenfalls zusätzlich zu einer ohnehin vereinbarten Selbstbeteiligung.

Ob der Versicherer die Vertragsstrafe mit aller Konsequenz durchsetzt, ist in der Praxis sehr unterschiedlich. Sind Sie ein guter Kunde mit vielen anderen Verträgen, wird er Sie wahrscheinlich kulanter behandeln und den Vertrag nur für die Zukunft umstellen. Das ist so, als würden Sie in der Bahn beim Schwarzfahren erwischt, müssten aber nur eine normale Fahrkarte nachlösen. Kunden, die nur ihr Auto bei diesem Unternehmen versichert haben, sollten nicht auf so viel Nachsicht bauen – sie zahlen die Strafe für Schwarzfahrer.

Wie bei der regelmäßigen Abfrage des Kilometerstands gilt auch hier: Kleine Abweichungen sind unproblematisch. Der Schadenfall ereignet sich zudem nicht genau zum Ende eines Versicherungsjahres. Es kann also gut sein, dass Sie mit einer Urlaubsfahrt schon viel von Ihrem Kilometer-Kontingent verbraucht haben, für den Rest des Jahres aber deutlich weniger fahren. Ahnden kann der Versicherer also nur sehr grobe Überschreitungen um mehr als eine Fahrleistungsklasse.


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